Grundprinzip
Um das Prinzip der IR-Spektroskopie zu verstehen, gucken wir uns als Beispiel das Molekül HCl an.
- Moleküle können unterschiedlich schnell schwingen, abhängig davon, wie viel Energie ihnen zur Verfügung steht.
- Die Schwingungsniveaus sind hierbei diskret (gequantelt): Damit ein Molekül schneller schwingt, muss es ein höheres Energieniveau erreichen.
- Jedes Schwingungsniveau besitzt eine Eigenfrequenz – das ist die Frequenz, mit welcher es von allein schwingt.
- Licht wird genau dann absorbiert, wenn die Frequenz des Photons mit der Eigenfrequenz der Schwingung übereinstimmt (Resonanzfrequenz).
Wie kann ich mir die Anregung vorstellen?
Das bedeutet für uns jetzt konkret:
Wenn Licht mit geeigneter Wellenlänge auf das Molekül trifft, so wird es absorbiert. Die Energie wird zum Übergang in ein höheres Schwingungsniveau genutzt, was bedeutet, dass das Molekül zum stärkeren Schwingen angeregt wird.Welche Wellenlänge bzw. Frequenz das Licht nun besitzen muss, hängt somit vor allem von der Eigenfrequenz der Schwingung ab, die wir anregen wollen. Die Eigenfrequenz ist wiederum abhängig davon, wie schwer die Atome sind, welche an der Schwingung beteiligt sind; und davon, wie stark die Bindung ist. Hierbei gilt:
Je stärker die Bindung, und je leichter die Atome, desto höher die EigenfrequenzDas heißt, man benötigt wesentlich mehr Energie (= kurzwelligeres Licht) um eine C-C-Bindung anzuregen (leichter, stärkere Bindung), als um eine I-I-Bindung (schwerere Atome, schwächere Bindung) anzuregen.
Und genau diesen Zusammenhang nutzen wir in der IR-Spektroskopie aus: Jede Bindung hat eine charakteristische Frequenz, bei welcher sie zum Schwingen angeregt wird. Das erlaubt uns funktionelle Gruppen in einem Molekül nachzuweisen.
Wenn wir bspw. einen Stoff hergestellt haben, welche über eine Carbonyl-Gruppe verfügt, dann können wir dies nachweisen, indem wir ein IR-Spektrum von dem Molekül aufnehmen und schauen, ob das Licht mit der passenden Frequenz absorbiert wurde.
Messprinzip & Versuchsaufbau
Eine IR-spektroskopische Messung funktioniert ähnlich wie bei der UV/Vis-Spektroskopie.Ein typisches IR-Spektrum sieht so aus:
Auf der y-Achse ist die Transmission `T` aufgetragen. Hier gilt: Je höher die Transmission, desto weniger hat das Licht mit der Probe interagiert (die Intensität des eingestrahlten Lichts ist fast genau so hoch wie das Licht, das aus der Probe wieder austritt und auf den Detektor trifft). Uns interessieren also die Signale mit niedriger Transmission. Eine Schwingung wurde immer dann angeregt, wenn der Graph nach unten ausschlägt:
Diese Signale helfen uns nun funktionelle Gruppen zu identifizieren in unserer Verbindung. Das Signal bei 1700 cm-1 ist bspw. charakteristisch für die C=O-Streckschwingung der Carbonylgruppe.
Wichtige Schwingungen
Wir werden uns im Folgenden nur die wichtigsten Schwingungen anschauen, welche uns regelmäßig bei IR-Spektren begegnen werden. Es gibt noch weitaus mehr Schwingungen; für solche empfehle ich aber ein Nachschlagewerk zur Hand zu haben.Es folgt eine Übersicht über die wichtigsten Schwingungen mit dazugehöriger Erklärung:
C-H-Streckschwingungen & 3000er Regel
- Alkane (C(sp3)-H) liegen knapp unter 3000 cm-1
- Alkene & Aromaten (C(sp2-H) liegen knapp über 3000 cm-1
- Alkine (C(sp)-H) liegen ein bisschen weiter über 3000 cm-1
Aromaten
- Benzolfinger liegen zwischen 2000-1600 cm-1
Carbonyl-Verbindungen
- Die Carbonylbande liegt mit hoher Intensität bei ~1700 cm-1
Aldehyde
- Die Fermi-Resonanz von Aldehyden liegt bei ca. 2850/ 2750 cm-1 und bei 1410/ 1380 cm-1
Alkohole
- Der OH-Bauch ist breit & intensiv, und liegt bei ca. 3330 cm-1
Beispielaufgabe Acetophenon
Wir wollen im Folgenden zusammen ein reales IR-Spektrum auswerten. Hierfür gilt es noch ein paar Aspekte zu beachten:- IR-Spektroskopie wird nicht benutzt, um die vollständige Struktur einer unbekannten Substanz zu bestimmen – das ist unmöglich. Sie wird nur als Hilfsmittel hinzugezogen, um bestimmte funktionelle Gruppen nachzuweisen und einen bereits vorhandenen Strukturvorschlag zu untermauern.
- Nicht jede Bande ist relevant! Bei IR-Spektren lässt sich nicht jede Bande klar zuordnen, selbst wenn wir einen Reinstoff vorliegen haben (anders als bei bspw. NMR-Spektroskopie). Wir fokussieren uns somit nur auf die wichtigsten Banden, die wir klar zuordnen können. Vor allem den sogenannten Fingerprint-Bereich, ganz rechts im Spekturm (1400 cm-1-500 cm-1) kann man getrost ignorieren.
Welche Signale sind zu erwarten, und lassen sich im Spektrum wiederfinden?
Ganz klar sollten wir zuerst mit der Carbonylbande bei 1700 cm-1 beginnen. Diese finden wir im Spektrum als Signal mit der höchsten. Den dazugehörigen Oberton finden wir auch bei 3400 cm-1. Diese beiden Signale entstammen also der Carbonylfunktion unseres Moleküls.
Als nächstes schauen wir, ob wir wiederfinden können, dass wir einen Benzolring vorliegen haben. Wie zu erwarten finden wir die C(sp2)-H-Streckschwingung bei knapp über 3000 cm-1. Die Benzolfinger kann man diesmal sehen: sie liegen bei knapp unter 2000 cm-1.
Bei der Region um 3000 cm-1 finden wir auch Banden knapp unter 3000 cm-1. Diese gehören zur C(sp3)-H-Streckschwingung, welche von der Methyl-Gruppe ausgehen.
Auf einem Blick...
IR-Spektroskopie
- Mittels IR-Spektroskopie lassen sich funktionelle Gruppen in organischen Molekülen nachweisen
- Die Moleküle absorbieren Licht im Infrarot-Bereich, um einen angeregten vibronischen Zustand zu erreichen
- Nicht alle Signale im IR-Spektrum sind wichtig
- Die wichtigsten Schwingungen entstammen der C-H-Streckschwingung von Alkanen, Alkenen & Alkinen (3000er-Regel) und der C=O-Streckschwingung von Carbonylen (~1700 cm-1)
- Weitere wichtige funktionelle Gruppen mit prägnanten Signalen sind Aromaten ("Benzolfinger"), Aldehyde (Fermi-Resonanz) und Alkohole ("OH-Bauch")
Referenzen
1. J.Clayden, N.Greeves, S.Warren, P.Wothers in Organic Chemistry, Vol. 8, Oxford University Press, Oxford, 2008.
2. H. Günzler, H.-U. Gremlich in IR-Spektroskopie, Vol. 4, Wiley-VCH, Weinheim, 2003.
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