Totalsynthese von Cuban Totalsynthese von Cuban Die erste SotM muss selbstverständlich die Synthese meines persönlichen Lieblings­moleküls sein: Cuban.
Dies hat zum einen rein ästhetische Gründe, zum anderen finde ich die Total­synthese besonders raffiniert, da mittels intr­amolekularer Cyclo­addition der Käfig gebildet wird und somit ausschließlich von 2-Cyclopentenon ausgegangen werden kann.
Die erste Cuban-Synthese wurde 1964 von Philip Eaton im Journal of the American Chemical Society publiziert. Hier wird nicht von Cyclo­pentenon ausgegangen, da Eaton bereits in einer früheren Ausgabe gezeigt hat, dass sich dieser Bi­cyclus aus Cyclo­pentenon darstellen lässt (s. A-E).

Darstellung des Dimers[1]

Im ersten Reaktionsschritt wird eine Wohl-Ziegler-Bromierung durch­geführt: Mit Hilfe von N-Brom­succinimid wird in allylischer Posi­tion substi­tuiert, ohne dass eine elektro­phile Addition an der Doppel­bindung stattfindet - die wird im nächsten Schritt durch die Reaktion mit elementarem Brom durchgeführt und liefert Verbindung C.
Wie viele Stereoisomere können hier entstehen?
Betrachtet man die Verbindung allein, so sind 23= 8 Stereo­isomere möglich. Da die elektro­phile Bromierung jedoch eine anti-Addition ist, sind nur vier Stereoisomere möglich:
Übersicht über die Zusammenhänge der verschiedenen möglich Stereoisomere

Nun wird durch Diethylamin zwei mal HBr eliminiert. Das Produkt D ist sehr kurzlebig, da es spontan via Diels-Alder-Reaktion dimerisiert. Es wird das kinetische Endo-Produkt gebildet - hier sind ebenso verschiedene Konstitutions­isomere möglich, welche im Paper kurz diskutiert werden und auf jeden Fall einer Überlegung Wert sind.
Vergleich der verschiedenen geometrischen Anordnungen während der Diels-Alder-Reaktion
Dass hier das endo-Produkt gebildet wird, ist auf die Reaktionsbedingungen zurückzuführen. Doch warum wird Produkt 1a gegenüber Produkt 1b bevorzugt gebildet?
Die Antwort liegt im Übergangs­zustand der Dimer­isierung. Hierfür muss die Verteilung der Partialladungen berücksichtigt werden, welche durch Betrachtung der meso­meren Grenz­strukturen deutlich werden und bei dem zu Produkt 1b führenden Übergangs­zustand abstoßend (und somit destabilisierend) wirken:
Destabilisierende Wechselwirkungen bei der Diels-Alder-Reaktion
Des Weiteren dürfte auch die sterische Abstoßung durch die beiden Brom-Substituenten einen Einfluss haben.

Bildung des Käfigs[2]

Damit der Käfig geschlossen werden kann, muss eine [2+2]-Cyclo­addition der beiden C-C-Doppel­bindungen durch­geführt werden. Die thermische [2+2]-Cyclo­addition ist symmetrie­verboten, weshalb sie durch Lichtenergie induziert werden muss.
Problem hierbei ist, dass dies bei Zwischenprodukt 1 zur Polymerisierung führt. Dies ist auf die Carbonyl-Gruppe der 1-C-Brücke zurückzuführen. Mittels Acetalbildung mit Ethylen­glycol und para-Toluol­sulfon­säure werden beide Carbonyl­gruppen geschützt; die konjugierte Carbonyl­gruppe wird im nächsten Schritt jedoch wieder entschützt:
Reaktionsgleichung der Schützung via Acetalbildung Reaktionsgleichung der Schützung via Acetalbildung
Warum wird im zweiten Schritt nur die konjugierte Carbonylgruppe wieder selektiv entschützt?
Das Acetal der konjugierten Carbonylgruppe lässt sich selektiv entfernen, da dort die Reaktion schneller stattfindet als am anderen Acetal - die Akti­vierungs­energie liegt hier niedriger, was sich am Über­gangs­zustand des ge­schwin­digkteits­bestimmenden Schritts zeigen lässt:
Orbitalbetrachtung zur Erklärung der selektiven Entschützung des Acetals Orbitalbetrachtung zur Erklärung der selektiven Entschützung des Acetals
Im Übergangszustand muss die C-O-Bindung gebrochen werden. Da Elektronendichte vom π-Orbital der Doppelbindung in das σ*-Orbital fließen kann, wird die sigma-Bindung geschwächt und kann somit leichter gebrochen werden im Übergangs­zustand - die Aktivierungs­energie wurde gesenkt und die Reaktion verläuft schneller als bei dem anderen Acetal, welches diesem Einfluss nicht ausgesetzt ist. Außerdem ist es auch das thermo­dynamisch stabilere Produkt.

Nachdem die Cycloaddition durchgeführt wurde, steht das Grundgerüst für das Cuban-Molekül schonmal. Allerdings haben wir an zwei Kanten noch einen Kohlenstoff zu viel im Gerüst, deshalb muss eine Ringeverengung durchgeführt werden. Dies kann elegant durch eine Faworski-Umlagerung mit heißer Kali­lauge durchgeführt werden. Hier wird auch ersichtlich, warum zu Beginn ein Brom-Substituent eingeführt wurde:
Reaktionsmechanismus der Faworski-Umlagerung
Jetzt sind wir unserem Würfel schon ein gutes Stück näher, es muss lediglich noch die Carbonsäuregruppe entfernt werden. Dies wird realisiert, indem die Carbon­säure mit Thionyl­chlorid (SOCl2) in das entsprechende Carbonsäure­chlorid umgewandelt wird. Der Carbonyl-Kohlenstoff ist nun stark elektrophil und reagiert mit tert-Butyl­hydroperoxid zu einem Persäureester, welches unter Erhitzen in Cumol spontan radikalisch zerfällt:
Mechanismus der Decarboxylierung durch radikalischen Zerfall Mechanismus der Decarboxylierung durch radikalischen Zerfall
Wie zu vermuten spielt die Rekombination des Alkyl­radikal-Inter­mediats mit dem tert-Butanolradikal eine große Rolle. 40% von Stoff 5 reagieren auf diesem Wege zu einem tert-Butylether. 55% reagieren auf dem obig gezeigten Weg.
Nun muss nur noch das Acetal entschützt und die Schritte von 3-7 wiederholt werden, und man erhält Cuban - wunderbar, nicht?
Abschließende Reaktionssequenz zur Darstellung von Cuban
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Referenzen

1. The Cubane System. P. Eaton, T. Cole, J. Am. Chem. Soc. 1964 86 (5), 962-964.
2. Cubane. P. Eaton, T. Cole, J. Am. Chem. Soc. 1964 86 (15), 3157-3158.

Wenn nicht anders angegeben, sind alle Abbildungen selbst angefertigt.