Allgemeines Schema eines Elektronenübergangs durch Lichtabsorption Charge-Transfer-Komplexe (CT-Komplexe) bilden eine Untergruppe der Elektronen-Donator-Akzeptor-Komplexe. Da CT-Komplexe intensive Absorptionsbanden zeigen, sind die jeweiligen Verbindungen oft für ihre signifikanten Farben bekannt; jedoch kann die Absorption wie bei Rutil (TiO2) auch im UV-Bereich liegen. Das Prinzip beruht auf einen Elektronenübergang von einem Elektronen-Donator zu einem -Akzeptor bzw. vom Höchsten besetzten Molekülorbital (HOMO) in das niedrigste unbesetzte Molekülorbital (LUMO) des Komplexes. Der Übergang wird durch Lichtabsorption initiiert, wobei die Energie des absorbierten Lichts (hv) der Energiedifferenz ∆E zwischen HOMO & LUMO entspricht. Ein Elektron nimmt also Energie auf, um so einen energetisch angeregten Zustand zu erreichen.

Ein Charge-Transfer ist ein Redox-Prozess[1]

Beim Elektronenübergang bleibt das Elektron im selben Molekül und "wechselt" lediglich das Molekülorbital (MO). Wie kann dann also eine Redox-Reaktion stattgefunden haben?
Die Antwort lässt sich im reduziertem MO-Digramm eines abstrakten tetraedrischen Komplexes finden: MO-Diagramm eines tetraedrischen Komplexes und Kennzeichnung der Frontier-Orbitals MO-Diagramm eines tetraedrischen Komplexes und Kennzeichnung der Frontier-Orbitals
Mit dem d-Orbital des Zentralteilchens M und dem π-orbital des Liganden L. Es sei auch an der Stelle egal, welche Rolle die so gebildeten MO´s spielen bzw. wie die weiteren Molekülorbitale gebildet werden.
Das wichtigere Prinzip ist der Charakter des HOMO´s und des LUMO´s. Das leere d-Orbital des Metalls bildet ein nicht-bindendes MO (hier also das LUMO), welches somit Metall-Charakter besitzt. Das besetzte π-Orbital des Liganden bildet ebenso ein nicht-bindendes MO - da es vom Liganden stammt, hat das HOMO widerrum Liganden-Charakter.
Findet ein Elektronenübergang ins LUMO statt, so befindet sich das Elektron nun in einem Orbital mit Metall-Charakter und wurde aus dem Orbital mit Liganden-Charakter entfernt - Das Metall besitzt nun ein Elektron mehr und wurde somit formal reduziert, während der Ligand ein Elektron abgibt und oxidiert wurde. Eine intramolekulare Redox-Reaktion also!

Dieses Prinzip ist bei allen CT-Komplexen gleich. Nur ist es bei unterschiedlichen Komplexen selbstverständlich möglich, dass die MO´s dort ganz anders aussehn, und das HOMO Metall-Charakter und das LUMO Liganden-Charakter besitzt. In diesem Fall fände ein Elektronenübergang vom Metall zum Liganden statt, jedoch nach dem selben Schema. Die drei wesentlichen CT-Komplex-Klassen, welche hier vorgestellt werden unterscheiden sich also lediglich darin, welcher Part die Rolle des Elektronenakzeptors und welcher die des Elektronendonators spielt.

Ligand-Metall-Charge-Transfer[1]

MO-Diagramm mit mehreren Elektronenübergängen eines tetraedrischen Komplexes MO-Diagramm mit mehreren Elektronenübergängen eines tetraedrischen Komplexes
Bei Ligand-Metall-Charge-Transfer-Komplexen (LMCT´s) findet ein Übergang vom Liganden zum Metall statt. Abgebildet ist ein größerer Ausschnitt aus dem MO eines tetraedrischen Komplexes. Die Buchstaben an den Orbitalen beschreiben deren Symmetrie, sind jedoch hier nicht relevant.
Es soll nur deutlich werden, dass häufig nicht nur ein CT-Übergang möglich ist. Insgesamt sogar vier, wobei alle dem obigen Schema folgen, selbst wenn es auch Übergänge gibt, die nicht zwingend vom HOMO ausgehen und nicht zwingend im LUMO enden. Bei diesen Übergängen liegt jedoch eine größere Energiedifferenz ∆E zwischen den Orbitalen, weshalb wir uns nun auf den HOMO-LUMO-Übergang beschränken, welcher vereinfacht im Folgenden dargestellt ist: Vereinfachtes Schema eines Elektronenübergangs in einem LMCT
Zur allgemeinen Erklärung des Prinzips reicht diese Darstellung in der Regel aus, da nicht immer genügend Informationen vorliegen, um wie oben das gesamte MO-Diagramm zu zeichnen. Trotzdem sollte im Hinterkopf behalten werden, dass der Vorgang an sich komplexer ist, als in der vereinfachten Darstellung.
Wie lässt sich nun eine Aussage darüber treffen, wie groß ∆E ist? Wenn wir einen CT als Redoxreation verstehen, so lässt sich auch mit der Ionieserungsenergie (IE) und der Elektronenaffinität (AE) argumentieren. Außerdem wissen wir, dass sich ∆E verkleinert, wenn das HOMO möglichst hoch und das LUMO möglichst tief liegt. Die logische Konsequenz ist, dass wir ein Zentralteilchen mit hoher Ionisierungsenergie benötigen, damit das LUMO energetisch tiefliegend ist. Hochgeladene Ionen der Nebengruppenelemente sind hierfür geeignete Kandidaten (Mn(VII), Cr(VI), ...). Für den Liganden gilt, dass er eine möglichst geringe Elektronenaffinität besitzen sollte, da dadurch sein HOMO sehr hoch liegt und er leicht Elektronen abgibt. Ionen der 16. Gruppe (O2-, S2-), aber auch Iodid-Ionen genügen bspw. diesem Kriterium.
Welche Komplexe sind typische LMCT´s?
Am prominentesten ist wohl das eindeutig das tiefviolette Kaliumpermanganat KMnO4. Seine tiefviolette Farbe hat das dem HOMO-LUMO-Übergang zu verdanken, welche im obrigen MO-Schema eingezeichnet ist (t1→e).
Tiefgelbe Chromat-Ionen sind ebenfalls LMCT´s; sowie Titan(VI)-Oxid, welches jedoch im UV-Bereich absorbiert und somit farblos erscheint.

Metall-Ligand-Charge-Transfer[2]

Ein MLCT findet bei Komplexen statt, in welchen die Liganden als Akzeptor und das Zentralteilchen als Donor agiert, also genau andersherum wie beim LMCT. Hierfür werden vor allem Liganden mit niedrig liegenden π*-Orbital (LUMO) benötigt, wie z.B. in aromatischen Molekülen. Typische MLCT Liganden sind CO, CN-, Bipyridin (Bipy) und Phenantrolin (Phen). Das Elektron stammt bspw. aus einem der besetzten d-Orbitale des Zentralteilchens. Der Übergang ist im Folgenden vereinfacht ohne detailliertes MO-Diagramm dargestellt.
Vereinfachtes Schema eines Elektronenübergangs in einem Metall-Ligand-Charge-Transfer-Komplex Für eine geringe Energiedifferenz beim Übergang gilt quasi das Gegenteil wie bei den LMCT´s. Hier wird ein Zentralteilchen in niedriger Oxi­dationsstufe (hohes HOMO, geringe IE) und ein Ligand mit niedrigem π*-Orbital benötigt.
Welcher Komplex ist ein Beispiel für ein MLCT?
Früh im Studium werden einem wahrscheinlich hauptsächlich LMCT´s begegnen. Manche kennen jedoch evtl. das Ferroin, welches als Redox-Indikator eingesetzt wird. Bei der tiefroten Spezies, mit Eisen(II) als Zentralteilchen, liegt ein MLCT vor, wobei sich bei Oxidation des Eisens zu Eisen(III) eine blaue Farbe einstellt. Bei Ferroin handelt es sich um das Tris(2,2'-bipyridil)eisen(II)-Ion. Strukturformel vom Organometall Komplex Ferroin als Beispiel für ein MLCT


Metall-Metall-Charge-Transfer[2]

MMCT ́s treten hauptsächlich bei mehrkernigen (gemischtvalenten) Komplexen auf, in welchen das Metall in verschiedenen Oxidationsstufen vorliegt. Das bekannteste Beispiel ist vermutlich das Berliner Blau, in welchem ein Redox-Prozess zwischen dem FeII (Donor) und dem FeIII (Akzeptor) stattfindet. Vereinfachtes Schema eines Elektronenübergangs in einem Metall-Metall-Charge-Transfer-Komplex Vereinfachtes Schema eines Elektronenübergangs in einem Metall-Metall-Charge-Transfer-Komplex

Auf einem Blick...


CT-Komplexe


• Interne Redoxreaktion
• Der Orbitalcharakter ändert sich beim Übergang
• Häufig mehr als ein Übergang möglich

LMCT´s


• Ligand wird oxidiert
• Metall wird reduziert
• Metall sollte hoch oxidiert sein
• Bspw. Oxido-, Thio-, Iodido-Liganden
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Referenzen

1. J. Huheey, E. Keiter, R. Keiter in Anorganische Chemie, Vol. 8, de Gruyter, Berlin, 1995.
2. W. Kaim, S. Ernst, S. Kohlmann, Chem. Unserer Zeit  1987, 21, 50-58.

Wenn nicht anders angegeben, sind alle Abbildungen selbst angefertigt.

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Fragen

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Stufe 1
Um welche Art von Charge-Transfer-Komplexen wird es sich bei Vanadium(V)-Oxid (V2O5) handeln? Welche Orbitale könnten an einem Elektronenübergang beteiligt sein?

Lösung Da bei Vanadium(V)-Oxid ein d0-System vorliegt, kann es sich nicht um ein MLCT handeln. Vanadium besitzt in der Verbindung auch nur eine Oxidationsstufe, weshalb ein MMCT auch nicht in Frage kommt.
Es kann sich also nur um einen LMCT handeln. Die Übergänge passieren ähnlich wie beim KMnO4, also bspw. vom π-Orbital des Sauerstoffs in ein d-Orbital von Vanadium.
Stufe 2
V2O5 ist orange, K2CrO4 ist gelb und KMnO4 ist violett. Warum ist TiO4 hingegen farblos?
Es handelt sich bei allen Komplexen um LCMT´s.

Hilfe Überlege Dir, wie energiereich das Licht ist, das die genannten Komplexe absorbieren und probiere diesen Trend der Anregungs­energien in Kontext mit den Oxidationsstufen der Zentralteilchen zu bringen.
Lösungsvorschlag Bei Permanganat liegt das Zentralteilchen mit der höchsten Oxidationsstufe, und somit mit der höchsten Ionisierungsenergie, vor. Hier ist ∆E am geringsten und es wird energiearmes gelb-orangenes Licht absorbiert. Vanadium(V)-Oxid und Kaliumchromat besitzen niedrigere Oxidationsstufen und somit geringere IE´s, wodurch HOMO und LUMO weiter auseinander liegen und energiereicheres Licht absorbiert wird.
Bei TiO4 liegen die Grenzorbitale (HOMO & LUMO) aufgrund der geringen IE des Titan(IV)-Zentralteilchens so weit auseinander, dass nur noch energiereiches Licht aus dem UV-Bereich absorbiert wird.
Licht aus dem sichtbaren Spektrum ist zu energiearm und wird nicht absorbiert, wodurch die Verbindung fabrlos erscheint.

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